Straßennamen
Wir versuchen mit unserem Rundgang in unterschiedlicher Weise und an verschiedenen Punkten, Frauen im Stadtbild Göttingens sichtbar zu machen. Eine weitere Form, in der Frauen in einer Stadt sichtbar werden, sind Straßen, die nach ihnen benannt sind. In Göttingen werden seit 1864 Straßen nach Personen benannt, heute sind es 310. Davon sind zehn, d.h. 3,2 %, nach Frauen benannt. Es gibt also nur sehr wenige Straßen mit Frauennamen, obwohl es genügend Frauen gab, die zu ihrer Zeit sehr berühmt waren oder sich um das Allgemeinwohl verdient gemacht haben. (Das sind die offiziellen Kriterien bei der Vergabe von Straßennamen.) Auffällig ist auch, daß diese zehn Straßen überwiegend kleine Seitenstraßen, Wege oder Sackgassen sind.
Bei einem genaueren Blick fällt weiter auf, daß fünf der Straßen nach "allgemeinen Persönlichkeiten" benannt sind.
- Käthe-Kollwitz-Weg (Lohberg).
Käthe Kollwitz (1867-1945) war Graphikerin und Malerin. - Paula-Modersohn-Weg (Lohberg).
Paula Modersohn (1876-1907) war Malerin. - Maria-Montessori-Weg (Sackgasse am Waldweg).
Maria Montessori (1870-1952) war Pädagogin und Ärztin. - Elsa-Brandström-Weg (Herberhausen).
Elsa Brandström (1880-1948), eine schwedische Krankenschwester im 1. Weltkrieg, war als "Engel von Sibirien" bekannt. - Elly-Heuss-Knapp-Straße (Herberhausen).
Elly Heuss-Knapp (1881-1952), Lehrerin und Politikerin, gründete das Müttergenesungswerk. Sie war mit dem Bundespräsidenten Theodor Heuss verheiratet.
Fünf weitere der Straßen sind nach Frauen benannt, die in Göttingen gelebt haben.
- Emilienstraße (an der Weender Landstraße)
Die Emilienstraße wurde bereits 1899, noch zu ihren Lebzeiten, nach Emilie von Warnstorff, geb. Stegemann (1857 - 1906) benannt. Die Straße lag auf dem damaligen Firmengelände ihres Mannes, eines Maschinenfabrikanten. Emilie von Warnstorff war sehr beliebt und hochgeschätzt. Sie soll sich um das Wohl der ArbeiterInnen in der Fabrik ihres Mannes gesorgt haben. - Karolinenweg (Weende)
Der Karolinenweg ist nach Karoline Louise Amalie Fahlbusch, geb. Lange (1869 - 1952) benannt, die den Weg über 40 Jahre gepachtet hatte. Karoline Fahlbusch engagierte sich in der Sozialdemokratie und leitete die Arbeiterwohlfahrt in Weende bis 1933. - Maria-Göppert-Weg
Maria Göppert-Meyer (1906 - 1972) lebte in Göttingen und studierte ab 1927 Physik bei den weltbekannten Professoren Max Born, James Franck und Adolf Windaus. Sie promovierte 1930 über Quantenmechanik. Physikerinnen waren etwas Außergewöhnliches und ihre Berufsaussichten, zumal im Deutschland der Weltwirtschaftskrise, sehr gering. So ging sie 1930 in die USA. Sie kehrte 1931 nach Göttingen zurück, um Vertretungsvorlesungen für Max Born zu halten, wanderte jedoch bald darauf endgültig in die USA aus. Von 1931 bis 1939 arbeitete sie an der Hopkins Universität in Baltimore. 1946 erhielt sie eine Professur in Chicago und forschte dort im Bereich der Nuklearphysik. 1960 wechselte sie an die Universität von La Jolla, Kalifornien, 1963 erhielt sie für ihre Theorie der nuklearen Schalenstruktur den Physik- Nobelpreis. - Emmy-Noether-Weg
Bild und Text zu Emmy Noether - Lou-Andreas-Salomé
Bild und Text zu Lou Andreas-Salomé
Weitere Straßennamen in Göttingen, die an Frauen erinnern, sind der Nonnenstieg (Weg von Nonnen zum ehemaligen Augustinerkloster), die Geschwister-Scholl-Straße, die auch nach Sophie Scholl benannt ist, und die Annastraße, deren Namensgeberin nicht überliefert ist. Dies zeigt einen weiteren Aspekt von Frauenstraßennamen auf. Wenn wir nicht darauf achten, wird vielleicht auch das Wissen um Emilie von Warnstorff und Karoline Fahlbusch verloren gehen, da ihre Nachnamen auf den Straßenschildern fehlen.
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